

Fischverfügbarkeit
Krise im Ozean – Wie die Überfischung die globale Ernährungssicherheit bedroht
Fisch zählt in vielen Küstenregionen und Ländern des globalen Südens zu den wichtigsten Nahrungsquellen – nicht nur als traditioneller Bestandteil der Ernährung, sondern auch als zentrale Proteinquelle für Millionen von Menschen. Doch während der weltweite Appetit auf Fisch wächst, geraten die natürlichen Ressourcen zunehmend aus dem Gleichgewicht. Die Überfischung der Weltmeere schreitet voran und gefährdet nicht nur die marinen Ökosysteme, sondern auch die langfristige Versorgung mit Fisch. Damit steht auch die globale Ernährungssicherheit auf dem Spiel.
Steigender Konsum, sinkende Bestände
Der weltweite Fischkonsum hat sich in den letzten Jahrzehnten mehr als verdoppelt: Von durchschnittlich 9,6 Kilogramm pro Person im Jahr 1961 stieg er auf 20,7 Kilogramm im Jahr 2022. Insbesondere in Ländern mit hohem Einkommen ist der Konsum aufgrund von Urbanisierung und veränderten Ernährungstrends besonders hoch – mit weiter steigender Tendenz. Global deckt Fisch rund 15 Prozent der tierischen Eiweißversorgung, in einigen Ländern Asiens und Afrikas sogar mehr als 50 Prozent. In diesen Ländern ist Fisch von hoher ernährungsphysiologischer Bedeutung, denn neben hochwertigen Proteinen trägt er zur Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren, B-Vitaminen sowie Jod, Selen und Zink bei. Umso wichtiger, dass Fisch als Bestandteil der Nahrung verfügbar ist. Doch während vor allem in den Industrienationen immer mehr Fisch auf den Tellern landet, in Europa wird im Durchschnitt 22,2 Kilogramm Fisch pro Kopf und Jahr konsumiert, sind es in Afrika lediglich 9,4 Kilogramm.
Prognosen zeigen zudem, dass der Fischkonsum in den Ländern südlich der Sahara künftig sinken könnte – ein alarmierender Trend angesichts der hohen Abhängigkeit vom sogenannten „blue food“ für die Ernährungssicherung. Um den aktuellen Fischkonsum-Status in Sub-Sahara-Afrika zu erhalten, müssten die Produktionsraten angesichts des Bevölkerungswachstums um 74 Prozent steigen. Schon zeigt sich ein massives Problem, denn einem wachsenden Fischkonsum stehen weltweit sinkende Fischbestände gegenüber. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sind bereits knapp 40 % der globalen Fischbestände überfischt – Tendenz steigend. Wissenschaftler warnten bereits 2010 vor einem möglichen Kollaps der Fischerei bis zum Jahr 2050. Und die Lage ist heute nicht besser – die Überfischung schreitet weiter voran.
“Der Verlust der biologischen Vielfalt und die Folgen des Klimawandels beeinträchtigen zunehmend die lebenswichtigen Ökosystemleistungen der Ozeane. Besonders alarmierend: Je mehr Arten verschwinden, desto schneller verschlechtert sich der Zustand der Meere.”
Für zahlreiche Länder in Afrika, Süd- und Südostasien sowie der Indopazifik-Region zeichnet sich bis 2050 ein sehr hohes Klimarisiko ab – mit weitreichenden Folgen für das Ökosystem Meer und die weltweiten Fischbestände.
Fischfang weltweit
Rund 80 Millionen Tonnen Fisch werden weltweit jedes Jahr aus den Meeren gezogen – eine Zahl, die verdeutlicht, wie stark die Ozeane wirtschaftlich genutzt werden. Etwa 60 % des weltweiten Fangs stammt aus großen Fangflotten, deren Schiffe über 20 Meter lang sind und mit hochentwickelter Technik arbeiten. Diese Schiffe fangen ein Vielfaches mehr als die Kleinfischerei und sind stark auf den globalen Handel ausgerichtet. Die meistgefangenen Arten – Sardellen, Alaska-Seelachs und Thunfisch – landen häufig auf den Tellern in Europa, Asien und Nordamerika. China führt die Liste der Länder mit dem größten Anteil an wildgefangenem Fisch an, gefolgt von anderen asiatischen Staaten, die gemeinsam über die Hälfte des Meerfischfangs verantworten. Zählt man die Produktion aus Aquakultur – also die kontrollierte Fischzucht – hinzu, liegt der asiatische Anteil sogar bei 70 %. 2022 war das erste Jahr, in dem die Produktionsmenge aus Aquakulturen, die der wildgefangenen Tiere überstieg. 94,4 Millionen Tonnen Fische und Meerestiere stammten im Jahr 2022 aus der Aquakultur.
Fisch als Lebensgrundlage
“Für Millionen von Menschen weltweit ist die Fischerei weit mehr als nur ein Wirtschaftszweig – sie ist eine zentrale Lebensgrundlage und sichert die Ernährung zahlreicher Küstengemeinden.”
Weltweit leben rund 492 Millionen Menschen direkt oder indirekt von der handwerklichen Fischerei. Diese schafft nicht nur Arbeitsplätze auf dem Wasser, sondern auch an Land: Vor allem Frauen sind im Bereich der Verarbeitung aktiv – sie trocknen, räuchern und verkaufen den Fisch, oft auf lokalen Märkten. Rund 40 % der globalen Fischfänge – etwa 37 Millionen Tonnen jährlich – stammen aus dieser handwerklichen Kleinfischerei und tragen entscheidend zur Ernährungssicherheit bei. In Afrika liegt der Anteil sogar bei 66 %, während er in Europa bei lediglich 5 % liegt. Anders als die bei uns beliebten Fischarten spielen kleine Schwarmfische wie zum Beispiel Sardellen für die lokale Versorgung eine Hauptrolle. Diese zum Teil sehr kleinen Fische werden oftmals auch zu Pulver verarbeitet und als hochwertige Proteinquelle verzehrt.
Doch diese lebenswichtige Ressource ist zunehmend bedroht. Viele Bestände pelagischer Fischarten gelten laut FAO bereits als überfischt oder sogar kollabiert – eine Folge der intensiven Fischerei und des Klimawandels. Besonders dramatisch ist die Entwicklung an den westafrikanischen Küsten: Dort hat sich die registrierte Fangmenge in den letzten 25 Jahren mehr als verdoppelt – von 1,2 auf 2,7 Millionen Tonnen jährlich. Ein großer Teil dieser Überfischung geht auf das Konto industrieller Fangflotten, vor allem aus China. Aber auch europäische Flotten sind nicht unbeteiligt. Immer mehr Afrikanische Schwarmfische werden zu Fischmehl oder Fischöl verarbeitet und dienen als Futter für die Lachsaufzucht in Aquakultur.
Wie wird es zukünftig um die lokale Ernährungssicherung bestellt sein, wenn die Bestände weiterhin unter Druck stehen und der Hunger auf Fisch immer größer wird? Schon heute bestehen Konflikte: Einerseits braucht die lokale Bevölkerung den Fisch zur Ernährung, andererseits ist der Export wirtschaftlich attraktiv. Über 50 % der weltweiten Fischexporte stammen inzwischen aus Entwicklungsländern. Die Fischerei ist in vielen dieser Länder nach Erdöl und -gas der zweitwichtigste Exportsektor und erwirtschaftet mehr Einnahmen als Fleisch, Tabak, Reis und Zucker zusammen.
Zusätzlich verschärft wird die weltweite Überfischung durch illegale, unregulierte und ungemeldete Fischerei (IUU-Fischerei), die Schätzungen zufolge zwischen 14 und 33 Prozent der weltweiten Fänge ausmacht. Illegale Fischerei bedeutet, dass Schiffe ohne Erlaubnis in den Hoheitsgewässern anderer Länder fischen oder deren Fischereigesetze (z.B. im Hinblick auf Fangzeiten oder Schutzgebiete) missachten. Auch die nicht gemeldete Fischerei – wenn Schiffe den Aufsichtsbehörden nicht ihre gesamte Fangmenge melden – ist ein verbreitetes Problem. Nicht regulierte Fischerei liegt dann vor, wenn in einem Gebiet kein Management vorhanden ist, das den Fang reglementiert.
Westafrikanische Länder sind besonders stark von der IUU-Fischerei betroffen – hier hat sie einen Anteil von ca. 40% des Gesamtfangs. Auch in Teilen des Pazifiks ist die IUU-Fischerei besonders verbreitet.
Welche Rolle spielt Europa im globalen Fischfang?
Europa ist einer der größten Fischimporteure, etwa 60 % des konsumierten Fisches stammen aus Importen, vor allem aus Norwegen, Island und China, aber auch aus Ländern des globalen Südens. Deutschland ist in besonders hohem Maße von Fischimporten abhängig – etwa 80% der in Deutschland konsumierten Fische werden importiert. Deutschland ist der weltweit siebtgrößte Importeur von Fischereiprodukten. Zu den Importen kommt noch hinzu, dass europäische Flotten zunehmend in der ganzen Welt fischen – auch in den Ländern des globalen Südens. Zwar regeln seit 2013 EU-Fischereiabkommen, dass Europa nur in anderen Hoheitsgewässern fischen darf, wenn nachgewiesen ist, dass dort ein Überschuss vorhanden ist, welches die nationalen Flotten nicht abfischen, doch eine Bestandserfassung bleibt schwierig. Problematisch ist, dass bei der Berechnung der Überschüsse nicht berücksichtigt wird, dass auch die illegale Fischerei die Bestände erheblich dezimiert und es noch nicht gelungen ist, dies wirksam einzudämmen. In welchem Umfang europäische Unternehmen in außereuropäischen Gewässern fischen, lässt sich schwer beziffern. Denn abgesehen von der offiziellen Fischerei europäischer Flotten kommt noch die Fischerei von Schiffen hinzu, die offiziell unter nicht-europäischen Flaggen (sogenannte Billigflaggen) fahren. Dadurch sichern sich europäische Unternehmen zusätzliche Fischereirechte und umgehen sinnvolle Regulierungen.
“Im Hinblick auf die hohe Bedeutung der Fischerei für die Existenzsicherung und Ernährungssicherung im globalen Süden, steht die EU in der Verantwortung, ihre Fischimporte zu reduzieren und noch stärker gegen die IUU-Fischerei und gegen die Praxis der kaum regulierten Billigflaggen vorzugehen. Damit es gelingt, dennoch die hohe Nachfrage nach Fisch in der EU zu bedienen, ist die Regeneration der europäischen Fischbestände entscheidend.”
Eine nachhaltige europäische Fischereipolitik kann dazu beitragen, Ernährungssouveränität zu stärken, Ressourcen besser zu schützen und den Druck auf fragile Ökosysteme im globalen Süden zu mindern.
Die europäische Fischereipolitik – Anspruch und Realität
Hering galt einmal in der westlichen Ostsee als Brotfisch der deutschen Ostsee-Fischerei, doch heute liefert er nur noch 3 Prozent des Ertrags von 2017. Nur ein Beispiel für die gnadenlose Überfischung in Europa. Regionales Essen ist beim Fischkonsum aktuell schwierig, besonders hier in Deutschland. Am 8. März 2025 fand der diesjährige End-of-Fish-Day statt. Dieser zeigt an, dass bereits an diesem Tag die deutschen Fischprodukte rechnerisch aufgebraucht sind. Mit der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) hatte sich die Europäische Union verpflichtet, die Überfischung in ihren Gewässern bis spätestens 2020 zu beenden. Dieses Ziel sollte durch eine nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände, festgelegte Fangquoten und Schutzmaßnahmen für bedrohte Arten erreicht werden. Doch trotz dieser verbindlichen Vorgaben bleibt die Realität hinter den Ansprüchen zurück. Laut Greenpeace sind aktuell fast 90% der europäischen Fischbestände überfischt oder stehen kurz davor.
“Ein großes Problem liegt darin, das immer wieder zu hohe Fangquoten seitens der Fischereiminister*innen festgesetzt werden, so dass sich die Bestände dauerhaft nicht erholen können. Hiermit werden kurzfristig wirtschaftliche Interessen bedient, jedoch langfristig die Lebensgrundlage Fisch in Europa zerstört.”
Die EU verstößt damit auch gegen das internationale Seerechtsabkommen, das seit 2013 von den europäischen Mitgliedsstaaten umgesetzt wird. In diesem haben sich die Länder bereits im Jahr 1982 darauf geeinigt, dass die Fischbestände in den eigenen Hoheitsgewässern so bewirtschaftet werden müssen, dass sie mindestens so groß sind, dass sie den maximalen Dauerertrag leisten können. Das heißt, sie müssen mindestens die Hälfte ihrer unbefischten Größe haben. Tatsächlich sind weltweit die Fischbestände bei ca. 20% ihrer unbefischten Größe, also weit darunter. Hier hinkt die Praxis dem geltenden Recht weit hinterher. Welche Folgen diese stetige Überschreitung hat, zeigt sich aktuell daran, dass nicht die Fangquoten die Fischerei beschränken, sondern es einfach nicht mehr genug Fisch in den europäischen Gewässern gibt, der von den Fischern gefangen werden kann.
Wieviel Fisch darf in der EU gefischt werden?
Die maximale Fangmenge „Total Allowable Catch“ (TAC) wird für alle Fischbestände basierend auf wissenschaftlichen Empfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) festgelegt. Das Ziel ist eine nachhaltige Bewirtschaftung nach dem Konzept des "maximalen nachhaltigen Ertrags" (MSY). Die endgültige Entscheidung über die Fangquoten trifft jedoch der Rat der Fischereiminister der EU. Diese Quoten werden nach einem festen Schlüssel auf die Mitgliedstaaten verteilt, die sie dann an Fischereibetriebe weitergeben.
Subventionen sind Treiber der Überfischung
Nicht nur die zu hohen Fangquoten verdeutlichen das politische Versagen im Kampf gegen die Überfischung. Erschwerend kommt hinzu, dass die EU mit Subventionen in Milliardenhöhe die Überfischung aktiv befördert. Die EU gehört neben China, Japan und den USA zu den weltweit größten Fischerei-Subventionsgebern. Weltweit wird die Fischerei mit 14 bis 35 Milliarden US-Dollar subventioniert.
Die Deutsche Stiftung Meeresschutz weist darauf hin, dass nur durch die Subventionen von Schiffstreibstoff eigentlich unrentable Fischereien, wie z.B. die Fischerei auf der Hohen See, überhaupt existieren können. Und der staatlich geförderte Schiffsbau führe zu Überkapazitäten der Fischereiflotten. Im Juni 2022 haben sich zwar 164 WTO-Mitgliedsstaaten für ein Abkommen unter anderem zur Eindämmung von Fischereisubventionen geeinigt. Doch das Abkommen ist noch nicht in Kraft getreten und es enthält zu viele Schlupflöcher, so dass schädliche Fischereisubventionen weiterhin möglich sind. Nichtregierungsorganisationen fordern von der WTO zusätzliche Vereinbarungen, um schädliche Subventionen abzubauen.
„Die Staaten müssen die Subventionen ab- und umbauen, die zur Überfischung der Meere führen und unfaire Wettbewerbsbedingungen schaffen. Insbesondere Finanzhilfen für Schiffstreibstoff und Schiffsbau sind Haupttreiber der Überfischungskrise. Und gerade die größten Subventionsgeber sind in der Pflicht, endlich zu handeln. Wir dürfen den Raubbau am Meer nicht länger finanzieren“, fordert Anna Holl-Buhl, Fischereiexpertin des WWF Deutschland. Doch bisher sind die WTO-Verhandlungen zu weiterführenden Vereinbarungen gescheitert.
Wie sich die Fischbestände und marine Ökosysteme erholen können
Studien zeigen, dass sich viele Fischbestände schnell erholen können, wenn die Befischung reduziert und teilweise ausgesetzt wird. Nach Erkenntnissen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung könnte Europa jährlich rund 5 Millionen Tonnen mehr Fisch erzeugen – vorausgesetzt, die Fischerei erfolgt nachhaltig. Damit dieses Potenzial genutzt werden kann, bedarf es grundlegender Änderungen im Umgang mit den marinen Ressourcen. Im Zentrum steht das sogenannte ökosystembasierte Fischereimanagement. Dieses Konzept geht über die reine Regulierung einzelner Fischarten hinaus. Es betrachtet die Fischbestände im Zusammenhang mit dem gesamten Ökosystem – also auch mit anderen Arten, deren Lebensräumen und den Wechselwirkungen zwischen ihnen. Ziel ist es, Fangmengen so zu gestalten, dass die Bestände gesund, produktiv und widerstandsfähig bleiben.
Damit sich die Fischerei in der EU in Zukunft am ökosystembasierten Fischereimanagement ausrichtet, schlagen Forschende, u.a. vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum vor, eine neue, politisch unabhängige Institution zu schaffen, die wissenschaftlich fundierte Fanggrenzen für jeden Bestand festlegt. Über wissenschaftlich fundierte Fanquoten hinaus sind zudem Meeresschutzgebiete von hoher Bedeutung, um zu erreichen, dass sich Fischbestände erholen und die marine Biodiversität geschützt wird. Mit dem Biodiversitätsabkommen von Kunming-Montreal haben sich die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, 30% ihrer Meeres- und Küstenregionen unter Schutz zu stellen. Doch an der Umsetzung dieser Verpflichtung hapert es. In der EU sind bisher nur 12% der Meere Schutzgebiete und nur 1% steht unter strengem Schutz. In einem Großteil der Meeresschutzgebiete in Deutschland und Europa ist die Fischerei und sogar besonders schädliche Praktiken wie die Grundschleppnetzfischerei weiterhin erlaubt. Zumindest die Hälfte der Meeresschutzgebiete muss jedoch unter strengen Schutz gestellt werden und die wirtschaftliche Nutzung eingestellt werden, damit sich die Fischbestände und die Biodiversität schneller erholen können. Dies ist auch im Hinblick auf die hohe Bedeutung der Meere für den Klimaschutz unverzichtbar. Und auch wenn dafür zunächst Einschränkungen der Fischerei notwendig sind, kann die Fischereiwirtschaft davon langfristig profitieren. Dies macht auch der EU-Aktionsplan zum Schutz und zur Wiederherstellung von Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei deutlich. Er sieht unter anderem vor, dass die Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten schrittweise bis 2030 verboten wird. Für die Umsetzung bleibt noch viel zu tun.
Lösungen sind vorhanden – Umsetzung fehlt
Die wissenschaftlichen Grundlagen und Lösungsansätze für die Erholung der Fischbestände und eine langfristige Sicherung der Nahrungsgrundlage Fisch sind vorhanden. Doch trotz dieses Wissens und Verpflichtungen aus internationalen Abkommen fehlt es bisher an einer konsequenten politischen Umsetzung.
Der Lobbydruck, nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen zu folgen, ist offenbar groß. Und es ist ein Thema, mit dem Wahlkampf betrieben wird – vermeintlich um Fischer vor strengeren Regulierungen zu schützen. So machte zum Beispiel die CDU im Europa-Wahlkampf 2024 in Schleswig-Holstein mit dem populistischen Wahlkampfslogan „Ohne Fischer keine Fischbrötchen“ auf das Thema aufmerksam. Dabei wurde offenbar bewusst ignoriert, dass die Grundlage sowohl für das Fischbrötchen als auch für die Fischer weiter zu schwinden droht, wenn politisch nicht konsequenter gegen Überfischung vorgegangen wird.
“Um dem Lobbydruck entgegenzuwirken, ist mehr öffentliche Bewusstseinsbildung zum dramatischen Zustand der Weltmeere und der damit verbundenen Gefährdung unserer Lebensgrundlagen notwendig.”
Durch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit muss darauf hingearbeitet werden, dass deutlich mehr Menschen klar wird, dass es mit der Fischerei, wie sie jetzt betrieben wird, nicht so weiter gehen kann. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass auch unser Fischkonsum sich ändern muss, um der Überfischung und den zerstörerischen Fischereipraktiken ein Ende zu setzen. Nur wenn sich dieses Bewusstsein stärker etabliert, besteht die Aussicht, dass die Politik die notwendigen Maßnahmen ergreift, statt aus Sorge vor dem Verlust von Wählerstimmen eine kurzsichtige und langfristig fatale Fischereipolitik weiterzuführen.
Forderungen:
- Eine nachhaltige Fischereipolitik muss Fangquoten stärker an wissenschaftlichen Empfehlungen orientieren, Subventionen für Schiffstreibstoff und Schiffsbau abschaffen und wirksame Meeresschutzgebiete etablieren.
- Programme zur Umstrukturierung und Sicherung der Fischereiwirtschaft und zur sozio-ökonomischen Abfederung für Fischer, die von einer Reduktion der Fischfänge betroffen sind, müssen finanziert werden. Nur durch solche Maßnahmen kann die europäische Fischerei langfristig wirtschaftlich stabil bleiben.
- Europa muss seiner internationalen Verantwortung zum Schutz der Meeresökosysteme und der globalen Ernährungssicherheit gerecht werden, indem Fischimporte aus dem globalen Süden reduziert und stärker gegen die IUU-Fischerei vorgegangen wird.
Autorinnen: Mireille Remesch und Julia Sievers
Mireille Remesch und Julia Sievers sind Referentinnen der Agrar Koordination und machen mit dem Projekt „Zukunft ohne Fisch?“ darauf aufmerksam, was nötig ist, um die globale Fischerei und den Fischkonsum zukunftsfähig zu gestalten.
Quellen
- Worm, Boris. (2016). Averting a global fisheries disaster. Proceedings of the National Academy of Sciences. 113. 201604008. 10.1073/pnas.1604008113. https://www.researchgate.net/publication/301539411_Averting_a_global_fisheries_disaster
- FAO. 2020. The State of World Fisheries and Aquaculture 2020. Sustainability in action. Rome.
https://doi.org/10.4060/ca9229en, https://openknowledge.fao.org/server/api/core/bitstreams/170b89c1-7946-4f4d-914a-fc56e54769de/content - https://worldoceanreview.com/de/wor-2/fischerei/die-illegale-fischerei/
- https://worldoceanreview.com/wp-content/downloads/wor2/WOR2_de_Kapitel_2.pdf
- EUMOVA, The EU Fish Market – 2024, https://eumofa.eu/documents/20124/145239/EFM2024_DE.pdf/cf772cc5-3765-66b8-c9b7-0509d154f984?t=1734705348279
- https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/fischerei/fischereisubventionen-sind-klimaschaedlich-fuehren-zu-ueberfischung-und-viel-beifang/
- https://www.geomar.de/news/article/fischerei-in-europa-mehr-gewinn-bei-weniger-aufwand-moeglich
- https://www.geomar.de/fileadmin/content/service/presse/Pressemitteilungen/2022/pm31_EBFM/pm_2022_31_EBFM_de.pdf
- https://www.geomar.de/news/article/warum-europas-fischereimanagement-neu-gedacht-werden-muss
- https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_23_832