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Das Fischerdorf Bugula im Bezirk Mukono, Uganda.

Kleinfischerei in Afrika

Die Armee muss gehen! Kleinfischer*innen in Uganda ringen um Selbstbestimmung

01.07.2027

An den Ufern des Viktoriasees sind Fischer*innen massiver staatlicher Repression und Gewalt ausgesetzt. Die Regierung Ugandas nutzt vermeintliche Nachhaltigkeitsmaßnahmen, um die Fischerei des hochlukrativen Viktoriabarschs und dessen Futterfische vollständig unter seine Kontrolle zu reißen. Seit Einführung dieser Maßnahmen terrorisiert das Militär die Fischereigemeinden. Ein neues, von der Zivilgesellschaft errungenes Gesetz, soll die Situation der Fischer*innen und deren Familien verbessern. FIAN Uganda hat gemeinsam mit Fischer*innen für das Gesetz gestritten und arbeitet weiter mit den Gemeinden am Aufbau von Teilhabestrukturen und Selbstbestimmung im Sinne des Rechts auf Nahrung und der Agrarökologie. 

Gewalt, Gewalt, Gewalt

Seit der Einführung des enorm profitablen Nilbarschs – in Deutschland auch Viktoriabarsch genannt – in den Viktoriasee durch die britischen Kolonialherren drängen die Fischindustrie und der Staat die Kleinfischerei immer weiter an den Rand der Existenz. Während traditionelle Fischereigemeinden seither Tag für Tag ums Überleben kämpfen, ist der Viktoriabarsch heute, nach Kaffee, Ugandas gewinnbringendstes Exportgut im Agrar- und Aquabereich. Der größte Anteil wird nach Europa verkauft.

Das Leben am Viktoriasee ist für Kleinfischer*innen und ihre Familien spätestens seit der Kolonialzeit nie ein leichtes gewesen. Doch seit 2017, als die Regierung die Armee mit der Kontrolle der Fischerei und der Viktoriabarschbestände beauftragte, sind die Repressionen gegenüber den Bewohner*innen von Fischereidörfern eskaliert. 

Körperliche Misshandlungen, willkürliche Beschlagnahmungen von Fischereiausrüstung und Verhaftungen bei nächtlichen Razzien sind zum Alltag in den Gemeinden geworden. 

Folter und Mord wurden von Medien berichtet. Frauen sind besonders betroffen. Sie beklagen den Einsatz von sexueller Gewalt, Schikanen und Demütigungen: »Die Soldaten kommen frühmorgens und zwingen uns, die Häuser zu verlassen. Manchmal sogar, wenn wir nackt sind.«

Zu den gewaltvollen Übergriffen kommen finanzielle Zwänge. Die Militärs überlegen sich jede Woche etwas Neues. Seien es angebliche Lizenzzahlungen für die Nutzung des Sees, die Wege zum Markt oder das Betreiben eines Fischstandes. Die Soldaten und ihre Befehlshabenden finden vielfältige Wege, um sich auch persönlich zu bereichern.

Längst haben sich Armut, Hunger und Perspektivlosigkeit in den Dörfern breitgemacht. Ältere Männer verfallen häufig dem Alkohol, jüngere verlassen in Scharen die Dörfer, während Frauen irgendwie versuchen, die Familien über Wasser zu halten. Schulgebühren können nicht mehr bezahlt werden und die Schuldenberge wachsen. Denn viele sind gezwungen, (Mikro)Kredite mit immer höheren Zinsen aufzunehmen, um überhaupt zu überleben. Ganze Dörfer zerbrechen unter dieser Last.

Offene Fragen und neue Hoffnung

Die Regierung sieht den Bestand seines Exportschlagers durch bestimmte Fangmethoden, die dem See Futterfische und nicht ausgewachsenen Viktoriabarsch entziehen, in Gefahr. Die Futterfische gehören zum Hauptfang der Kleinfischer*innen. 

Es ist unstrittig, dass der Staat nachhaltige Fischerei fördern muss. Warum aber geht die Regierung so drastisch vor? 

Warum terrorisiert und kriminalisiert sie durch ihre Armee die Menschen in den Fischereigemeinden? Dient das Argument der Überfischung gar als Vorwand für die Verdrängung der Kleinfischerei als Fangkonkurrent der Fischindustrie?

Um diese Konflikte zwischen ökonomischen Interessen, sozialen Verwerfungen und ökologischer Schieflagen aufzulösen, hat FIAN Uganda sich gemeinsam mit Fischer*innen erfolgreich für ein neues Fischerei- und Aquakulturgesetz eingesetzt. Kernstück des 2023 verabschiedeten Gesetzes ist die partizipative Steuerung und Ausrichtung der Fischerei in Uganda. Im Gegensatz zu den etlichen Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Fischereigemeinden würde der ugandische Staat mit der Umsetzung des neuen Gesetzes seinen menschenrechtlichen Pflichten nachkommen. Beispielsweise ist die Mitbestimmung an politischen Entscheidungen eines der Hauptbestandteile des Rechts auf Nahrung.

Bald eine inklusive Fischerei in Uganda?

Das Gesetz umfasst die Einrichtung von sogenannten Ko-Management Ausschüssen, die auf Ebene der Fischereigemeinden, auf regionaler sowie auf nationaler Ebene agieren. Ginge es nach FIAN würden diese Ausschüsse aus Fischer*innen, Fischverkäufer*innen, NGOs, Wissenschaftler*innen, Regierungsleuten und anderen relevanten Akteur*innen bestehen. Ihr Mandat wäre die Verhandlung konkreter Maßnahmen und Politik. Bis 2015 bestanden bereits Ko-Management Ausschüsse. Diese erwiesen sich nur als scheinbar demokratisch, wurde Politik doch nach wie vor von oben nach unten diktiert. Das Scheitern dieses Mechanismus gipfelte in der Übertragung der Verantwortung über das Management der Fischerei an die Armee. FIAN betont daher, dass die Fehler der Vergangenheit auf keinen Fall wiederholt werden dürfen und insbesondere die Handlungsfähigkeit der am stärksten Benachteiligten Gruppen in den neuen Ko-Management Ausschüssen gestärkt werden muss.

Die Regierung hat nun alle Karten in der Hand, mit denen sie zu einem internationalen Vorreiter für eine inklusive Fischereipolitik werden könnte. Das Gesetz, dem 2023 Präsident Museveni offiziell zustimmte, wird jedoch bislang nicht umgesetzt. Stattdessen verschärfte sich seit 2024 die Lage für die Fischereigemeinden. 

Mit der angeblichen Begründung, die Bestände an Silberfisch (Mukene) erhalten zu wollen, verbot die Regierung häufig genutzte Methoden zum Fang dieses Fisches, der zugleich für unzählige Menschen in Uganda die wichtigste Einkommens- und Ernährungsquelle ist. 

Schon am ersten Tag des Verbots drang die Armee in die Dörfer, verhaftete willkürlich Fischer*innen und beschlagnahmte den Besitz der Familien. Millionen von Menschen wurden schlagartig ihrer Lebensgrundlage beraubt.

Das Verbot kam, obwohl das staatliche Fischereiinstitut NAFIRRI bestätigte, dass es keinen wissenschaftlichen Grund dafür gebe. FIANs Untersuchungen ergaben, dass auch dieses Verbot mit dem Interessenkonflikt zwischen der Viktoriabarschindustrie und den Kleinfischer*innen verbunden ist. Schließlich ist Silberfisch ein Futterfisch des Viktoriabarschs.  

Das Recht auf Nahrung und Agrarökologie in Ugandas Fischerei?

Die Stimmen aus den betroffenen Gemeinden sind unmissverständlich: Sie fordern eine Umsetzung des neuen Gesetzes, ein Ende der militärischen Repressionen und die Rückgabe ihrer Selbstbestimmung. Nur so können sie ihre Zukunft wieder selbst in die Hand nehmen und eine nachhaltige Fischerei betreiben, die sowohl ihre Lebensgrundlage sichert als auch die natürlichen Ressourcen schützt. 

Seit vielen Jahren arbeitet FIAN Uganda mit Fischereigemeinden rund um den Viktoriasee, um ihr Bewusstsein und ihre Handlungsfähigkeit für ihre Rechte zu stärken. Dafür fährt FIAN regelmäßig in die Dörfer, trifft sich dort insbesondere mit den Frauen und jungen Menschen, erfragt in offenen Gesprächen ihre Probleme und Bedürfnisse und vermittelt ihnen ihre Rechte. Bewährt haben sich auch die Organisierung von Gesprächen zwischen Vertreter*innen der Fischereigemeinden und der Regierung. Auch öffentliche Veranstaltungen mit der Presse haben die allgemeine Aufmerksamkeit für die Situation und Forderungen der Fischer*innen erhöht.

Besonders mit der Organisierung von gemeindeübergreifenden Gesprächen wird zum Austausch und zur gemeinsamen Schöpfung von Wissen sowie zum Aufbau von Autonomie beigetragen. Damit beteiligt sich FIAN bei der Stärkung einer lokalen agrarökologischen Bewegung, der Integration der Gemeinden in die globale Bewegung und schafft Bewusstsein darüber, dass sich die Prinzipien der Agrarökologie genauso gut auf die Fischerei wie auf das Jagen und Sammeln und die Land- und Hirtenwirtschaft anwenden lassen.

Zwischen Pflicht und Willen

Während die ugandische Regierung die Umsetzung des neuen Gesetzes weiter hinauszögert, arbeitet FIAN gemeinsam mit den Fischereigemeinden an der Stärkung ihrer selbstbestimmten Handlungsfähigkeit. Für den Fall, dass das Gesetz eines Tages tatsächlich in die Einrichtung von inklusiven Ausschüssen münden sollte, setzt FIAN alles daran, dass die Fischer*innen dafür möglichst gut organisiert und darauf vorbereitet sind. Was den ugandischen Staat betrifft, so könnte dieser mithilfe dieses Gesetzes seiner Pflicht zur Förderung der Agrarökologie im Sinne des Rechts auf Nahrung nachkommen. Schließlich ist die Partizipation an Entscheidungen zentrales Prinzip beider Konzepte. Was bleibt, ist die Frage nach dem politischen Willen.    

Autor*innen: Jan Dreier und Namaganda Rehema

Jan Dreier ist Referent bei der Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland. Namaganda Rehema ist Landeskoordinatorin bei FIAN Uganda. 
 

Bilder: Jan Dreier
Das Fischerdorf Bugula im Bezirk Mukono, Uganda.